„Der letzte Wunsch“ – Die Geschichte vom Bestatter

Man kannte seinen Namen nicht in den Schlagzeilen.
Keine Werbung, keine Plakate, keine Slogans.
Und doch sprach sich sein Ruf von Hamburg über Niedersachsen bis tief nach Schleswig-Holstein herum
– leise, aber bestimmt. Man nannte ihn nur den Bestatter

Er war nicht wie die anderen.
Während viele Kollegen auf Vorschriften, Gebührenordnungen und Friedhofszwang pochten, hatte er sich einzig und allein einem Ziel verschrieben:
Den letzten Wunsch eines Menschen wahr werden zu lassen – ganz gleich, wie ungewöhnlich oder „verrückt“ er klang.

In Hamburg-Altona hatte er einer jungen Frau die Urne ihres Bruders direkt nach Hause gebracht – ganz diskret, ohne Aufsehen, aber mit tiefem Respekt.
In St. Peter-Ording organisierte er eine stille Abschiednahme im Morgengrauen, direkt am Meer.
Barfuß im Sand, mit dem Wind in den Haaren, stand er gemeinsam mit der Familie, als die Asche in die Nordsee streute – kein offizielles Ritual, keine Reden. Nur Stille, Tränen, Liebe.

Einmal stieg er mit einem Segelflieger über Hamburg auf – zusammen mit dem Sohn eines verstorbenen Gleitschirmpiloten.
Als sie über dem Elbufer kreisten, öffnete sich die Urne. Die Asche verteilte sich über Hafen, Speicherstadt und den Michel, getragen vom Wind. Unerlaubt? Vielleicht. Aber zutiefst menschlich.

In Lüneburg hatte er einer älteren Dame die Urne ihres Mannes überreicht, damit sie ihn zu Hause bei sich haben konnte. Die Behörden sahen rot, seine Mitbewerber noch mehr.
Es hagelte Anzeigen, Beschwerden, sogar Drohungen.
Doch der Bestatter blieb standhaft. „Ich diene nicht dem Gesetz“, sagte er einmal, „ich diene den Lebenden und den Toten.“

In Kiel, Itzehoe, Lübeck, Stade, Harburg – überall dort, wo Menschen ihn fanden, schenkte er ihnen etwas, das sonst kaum jemand noch wagte: Freiheit im Abschied.
Kein Zwang zur Friedhofsmauer, keine erzwungenen Rituale, keine bürokratische Kälte. Stattdessen: Eine Bootsfahrt auf der Elbe, ein stilles Gedenken im Wald, eine Urne auf dem Kamin – wenn es der letzte Wunsch war, dann tat er es.

Andere Bestatter stellten ihm immer wieder Steine in den Weg.
Neid, Angst, Kontrollwahn.
Aber sie hatten etwas vergessen: Er wollte nichts für sich. Keine Auszeichnung, kein Titel. Alles, was er wollte, war, dass ein letzter Wunsch nicht an einem Paragrafen scheitert.

Der Bestatter kämpfte nicht gegen das Gesetz – er kämpfte für Menschlichkeit.
Und irgendwo zwischen Wattenmeer und Wendland, zwischen Hansestadt und Heide, lebt seine Geschichte weiter – in den Herzen derer, die er begleitet hat.

Geschrieben von Tristan Thies ( Bestattungen Thies )

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