Die Nahtoderfahrung hat aus ihr einen anderen Menschen gemacht.
Vor 18 Jahren entging die damals schwangere Christine Brekenfeld nur knapp dem Tod.
Was sie an der Grenze zwischen Leben und Sterben erlebt hat, veränderte die 57-Jährige grundlegend.
"Ich habe in dem Augenblick sofort gewusst, dass ich sterben würde, wenn keine Hilfe kommt", erzählt Christine Brekenfeld.
Es ist der 12. Juli 2004. Die Diplom-Ingenieurin ist hochschwanger, in zwei Wochen soll ihr Sohn zur Welt kommen.
Doch an diesem Tag löst sich die Plazenta, die eigentlich an der Gebärmutter festgewachsen ist und das Kind über das Blut der Mutter ernährt.
Dieses Blut – "Unmengen von Blut" – fließt plötzlich aus Christine Brekenfeld heraus.
Während sie noch im Bett liegt, wählt sie den Notruf. "Es hat sich wahnsinnig bedrohlich angefühlt", erinnert sich die 57-Jährige.
"Als würde ein Tsunami über mich hinwegfegen." Todesangst überkommt sie.
Als die Sanitäter ankommen, steht sie auf und sieht, wie viel Blut sie verloren hat. "Da wurde mir das ganze Ausmaß der Katastrophe erst bewusst", sagt sie.
Der Notarzt versucht, sie zu stabilisieren. Christine Brekenfeld kämpft zunächst mit aller Kraft dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren. "Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass das, was über mich kommt, viel stärker ist als ich", berichtet sie.
Dem kann sie nicht mehr standhalten. Sie ergibt sich und lässt los. "In diesem Moment ist mein Geist wie über den Körper hinausgeschossen", sagt die 57-Jährige. Sie spürt, wie sie ihren Körper verlässt.
"Ich war plötzlich im ganzen Raum und konnte die Szenerie von oben beobachten", erzählt sie.
Was Christine Brekenfeld erlebt, ist der Beginn einer Nahtoderfahrung.
Dieses Erlebnis prägt die Ingenieurin, die mittlerweile als Heilpraktikerin und Traumatherapeutin arbeitet, bis heute.
Die Todesangst? Ist einem tiefen, inneren Frieden gewichen. "In dem Moment, in dem ich fast gestorben bin, habe ich das Wunderbarste erlebt, was mir bis dahin passiert ist", sagt sie im Rückblick.
Schätzungen des Freiburgers Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) zufolge erleben rund vier Prozent der deutschen Bevölkerung im Laufe des Lebens eine Nahtoderfahrung.
Das Phänomen tritt vor allem bei Menschen auf, die sich in lebensbedrohlichen oder medizinisch kritischen Situationen befinden.
Die Erfahrung wird meist als tiefgreifend und intensiv beschrieben, als Erlebnis, das außerhalb des bis dahin gekannten Erfahrungshorizonts liegt.
"Eigentlich haben wir keine Worte, um die Schönheit dieser Erfahrung zu beschreiben", sagt Christine Brekenfeld.
Erste Überlieferungen von Nahtoderfahrungen sind mehr als tausend Jahre alt, doch erst seit den 1970er-Jahren versuchen Forscher, das Phänomen wissenschaftlich zu erfassen.
Psychiater Michael Schröter-Kunhardt, Vorsitzender der deutschen Sektion der "International Association for Near-Death Studies" glaubt, dass das Zulassen des eigenen Sterbens – das "innere Ergeben", wie es Christine Brekenfeld bei sich erlebt hat – die Nahtoderfahrung auslöst.
Das Bemerkenswerte, das Forscher seit jeher fasziniert, sei laut dem Psychiater die Tatsache, dass alle Menschen ähnliche Bilder sehen und von ähnlichen Erfahrungen berichten.
Dazu zählen das Verlassen des eigenen Körpers, ein dunkler Tunnel mit einem hellen Licht am Ende, Szenen aus dem eigenen Leben und spirituelle Erscheinungen.
Schröter-Kunhardt hat mehr als 230 Nahtoderfahrene zu ihren Erlebnissen befragt.
Unter anderem das "Ärzteblatt" schrieb über seine Studie.
Von dem Gefühl, außerhalb des Körpers zu sein, erzählen demnach 61 Prozent. "Sie sehen auf ihren Körper hinab und können beispielsweise wahrnehmen, wie sie reanimiert werden und Ärzte hektisch um sie herum stürmen", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Sozialforscherin Ina Schmied-Knittel vom IPGG.
Diese Szenen hat auch Christine Brekenfeld noch lebhaft vor Augen.
Wie eine Beobachterin von außen habe sie ihren blutenden Körper, die panischen Sanitäter und sogar ihren aufgelösten Mann, der im Nebenraum telefonierte, betrachten können.
"Ich konnte zwar die Aufregung der anderen spüren, aber ich selbst war ganz friedlich und still", erzählt die Therapeutin.
In diesem Moment habe sie erkannt, dass sie mehr als nur ihr Körper sei. "Eine überraschende Erfahrung", sagt sie.
Dann kam der Tunnel, den Christine Brekenfeld allerdings eher als "gold-orangefarbene Enge" beschreibt.
"Am Ende dieser Enge war etwas Lichtes, unglaublich helles", berichtet sie. "Ich wollte dahin und genau dort hat es mich auch hingezogen."
Etwa 47 Prozent der Menschen mit Nahtoderfahrungen erleben das Tunnel-Phänomen, von einem "hellen Licht" sprechen 77 Prozent der Betroffenen.
"Im Licht angekommen, nehmen sie den hellen Raum um sich herum als wunderschön und harmonisch wahr", sagt Schmied-Knittel.
Das "Gefühl der Ruhe, des Friedens oder des Wohlbefindens" nehmen sogar 89 Prozent der Nahtoderfahrenen wahr.
Weitere 30 Prozent sehen laut der Studie Ereignisse aus ihrer Vergangenheit wie einen Film vor sich ablaufen. "Es gab einen Lebensrückblick", bestätigt Christine Brekenfeld aus ihrer Erfahrung.
Allerdings seien ihr ausschließlich Situationen vor Augen geführt worden, in denen sie ihre Mitmenschen verletzt habe. "Es war sehr eindrücklich für mich, zu sehen, wie oft wir Menschen auch unbewusst wehtun können", erzählt die Heilpraktikerin.
Dennoch habe das "Gefühl von tiefem Frieden, bedingungsloser Liebe und Glück" überwogen.
Die 57-Jährige benennt ihre Empfindungen heute als "Verbindung mit dem Göttlichen".
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